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VerA-Tagung: Ausbildungsbegleitung sichert Fachkräfte : Datum:

Autos reparieren, Motoren warten: Mustafa Almohammad absolviert eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Der junge Mann aus Syrien mag die praktische Arbeit. Was ihn herausfordert, ist der theoretische Unterricht. Er erhält Unterstützung durch die ehrenamtliche VerA-Ausbildungsbegleitung.

Mustafa Almohammad und VerA-Begleiter Andreas Hofert in der Ausbildungswerkstatt
© Andreas Hofert

Mustafa Almohammad war Ende 2015 vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen und nach Berlin gekommen. In der Hauptstadt fand der heute 28-Jährige eine neue berufliche Perspektive. Eine Tätigkeit im Handwerk, etwas Technisches sollte es sein. „Ich schraube gerne, das habe ich schon als Kind gerne gemacht. Autos und Motorräder fahren, das finde ich toll“, sagt Almohammad über seinen Berufswunsch.

Er begann eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker bei einem Bildungsträger, der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen (GFBM). Im handwerklichen und technischen Bereich lief alles nach Plan. Dennoch wurde klar, dass Almohammad eine individuelle Begleitung gut gebrauchen konnte, jemanden, der ihn unterstützt, um die fachlichen Aufgaben zu bewältigen. Der Bildungsträger organisierte über die Initiative VerA eine Ausbildungsbegleitung. Andreas Hofert, 66, Elektroingenieur im Ruhestand, begleitet Almohammad inzwischen seit 2 Jahren.

Coaching gibt Auszubildenden mehr Stabilität

Wie sieht eine Begleitung in der Praxis aus? Darüber sprachen Hofert und Almohammad auf der VerA-Fachtagung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB) und des Senior Experten Service (SES) am 17. Oktober 2022 im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin.

Bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung kamen Vertreterinnen und Vertreter aus den Kammerorganisationen und Politik zusammen. Das Ziel war zu beleuchten, wie das VerA-Mentoring dabei hilft, den Fachkräftemangel im Kontext der aktuellen bildungspolitischen Diskussionen einzudämmen. VerA wird im Rahmen der Initiative Bildungsketten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Partner des SES bei VerA sind ZDH, DIHK und BFB.

Bei dem Tandem Hofert und Almohammad liegt der Fokus auf der fachlichen Begleitung. Im Fach Wirtschaft und Sozialkunde hat Almohammad Schwierigkeiten damit, komplexe Begriffe zu verstehen. Ein Beispiel: gesetzliche Krankenversicherung.  

Hofert bietet Unterstützung, indem er Almohammad den Text aus dem Unterricht zunächst alleine lesen lässt. Dann erklärt er ihm anschaulich, was der Begriff konkret bedeutet. Anschließend fragt er ihn ab, ob etwas unklar ist. „Das gibt mir die Sicherheit, dass ich es verstanden habe“, sagt Almohammad.

Abschlussprüfung steht bevor

Jeden Donnerstag trifft sich das VerA-Tandem für zwei Stunden in der Autowerkstatt des Bildungsträgers in Berlin-Reinickendorf. Neben fachlichen Fragen kommen auch Alltagsprobleme, etwa in der Familie oder im Ausbildungsbetrieb, zur Sprache. „Er ist nett, intelligent, authentisch“, sagt Almohammad über Hofert. Der 66-jährige Berliner engagiert sich seit 6 Jahren als VerA-Begleiter. 29 Auszubildende hat er bereits unterstützt, viele davon bei der GFBM. Der Bildungsträger greift regelmäßig auf die VerA-Begleitung zurück, es besteht eine langjährige Zusammenarbeit mit dem SES.

Im Januar 2023 steht für Almohammad die Abschlussprüfung an. Mit seinem Ausbildungsbegleiter bereitet er sich darauf intensiv vor. Das Ziel: Die Ausbildung erfolgreich abschließen, danach eine Beschäftigung in einer Autowerkstatt finden. „Ausgebildete Fachkräfte sind stark gefragt. Daher hat Mustafa gute Aussichten auf einen Arbeitsplatz“, so Hofert.

„VerA ist Stellschraube beim Fachkräftemangel“

Auf der Tagung hob Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär, BMBF, die Bedeutung der ehrenamtlichen Ausbildungsbegleitung hervor. „Wenn es VerA nicht gäbe, müsste man es erfinden, da es eine wichtige Stellschraube beim Fachkräftemangel ist. Junge Menschen sollen die Ausbildung anfangen und beenden.“ Zudem trägt der generationsübergreifende Ansatz dazu bei, in einer polarisierten Gesellschaft für einen spürbaren Ausgleich zwischen Jung und Alt zu sorgen. Und 85 Prozent der VerA-Begleitungen haben einen Migrationshintergrund, so Brandenburg.

Wie akut der Fachkräftemangel bereits geworden ist, verdeutlichte Dr. Achim Dercks, stellvertretender DHIK-Hauptgeschäftsführer, am Beispiel einer Zahl: 27.000 der Ausbildungsbetriebe haben keine einzige Bewerbung erhalten.

Pro Jahr finden bundesweit 4.000 Begleitungen statt. Häufig sind es Betriebe, die eine Unterstützung anfordern, wie VerA-Regionalkoordinator Hermann Hartmann aus Hildesheim erläuterte. Wie kommen Mentorin bzw. Mentor und Mentee zusammen? Es braucht eine generelle Offenheit bei Unternehmen für Unterstützungsangebote. Eine VerA-Begleitung kann Konflikte in der Ausbildung gut lösen. Die Coaches verfügen über enge Kontakte zu Unternehmen. Laut Hartmann ist ein Netzwerk wichtig, um die Begleitung überhaupt zu ermöglichen. Dabei müssen die Coaches nicht alles selbst leisten. Über die Netzwerkpartner lassen sich weitere Unterstützungsangebote an die Auszubildenden vermitteln, z.B. bei Dyskalkulie oder Sprachförderung.

Ehrenamt unterliegt gesellschaftlichen Trends 

„Das Ehrenamt verändert sich“, wie ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke in einer Diskussionsrunde zum Thema „Ehrenamtlich Ausbildung stärken – Fachkräfte sichern“ feststellte. Viele Menschen wollten sich nicht mehr langfristig binden, sondern projektgebunden und über einen zeitlich überschaubaren Zeitraum arbeiten. Das könnte sich auf die Akquise ehrenamtlicher Coaches auswirken. Peter Klotzki, BFB-Hauptgeschäftsführer, führte an, dass das Ehrenamt ein starkes Netzwerk braucht. „VerA bietet dieses Netzwerk und auch eine einzigartige Begleitung für die jungen Menschen.“

Die ehrenamtliche Begleitung ist sinnstiftende Tätigkeit für die erfahrenen Expertinnen und Experten im Ruhestand und leistet einen sichtbaren Beitrag zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen sowie zur Sicherung der Fachkräftebasis. Das VerA-Programm verdient die volle politische Unterstützung.

Viele Begleiterinnen und Begleiter sind hoch motiviert und identifizieren sich stark mit VerA – „weil sie der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten“, so VerA-Regionalkoordinatorin Auguste Hennecke-Bauernfeind, Berlin. „Eine Begleitung ist keine Einbahnstraße, sondern bedeutet immer auch eine persönliche Bereicherung.“