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VerOnika-Tagung „Orientierungsprogramme erfolgreich gestalten!“ : Datum:

Berufliche und akademische Bildungswege kennen lernen – das Verbundvorhaben VerOnika bietet jungen Menschen Orientierungsangebote in den Bereichen MINT und soziale Berufe an. Wie sich diese Angebote zukünftig gestalten lassen, zeigt der Rückblick auf die VerOnika-Tagung.

Junge Frauen verfolgen Vortrag bei VerOnika-Tagung
© UFO Berlin

Unter dem Motto „Orientierungsprogramme erfolgreich gestalten!“ fand am 17. und 18. November 2022 in Berlin eine Arbeitstagung des Verbundvorhabens VerOnika mit rund 40 Teilnehmenden aus Wissenschaft, Politik und Berufsbildungspraxis statt. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Themen und Ergebnisse der Tagung.

Im Verbundvorhaben VerOnika (Verzahnte Orientierungsangebote Ausbildung und Studium) werden gemeinsam von Partnern der beruflichen Bildung und von Hochschulen seit 2020 Orientierungsprogramme am Übergang Schule – Ausbildung entwickelt und erprobt. Zielgruppe sind junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung, die noch unentschlossen über ihren weiteren Bildungsweg sind. In der gleichwertigen Orientierung, die parallel Einblicke und Erfahrungen im akademischen und im beruflichen Bildungssystem ermöglicht, liegt die Besonderheit des Modells der verzahnten Orientierungsangebote.

Berufliche Orientierung an Gymnasien

Zu Beginn der Tagung wurde zunächst der Blick auf die Berufs- und Studienorientierungsprogramme an Schulen (gymnasiale Oberstufe) in zwei der beteiligten Bundesländer, Berlin und Baden-Württemberg, gerichtet. Lag früher der Fokus auf der reinen Studienorientierung, hat inzwischen ein Paradigmenwechsel hin zu einer integrierten Berufs- und Studienorientierung stattgefunden. Gründe hierfür sind die steigende Zahl an Abiturientinnen und Abiturienten, der Fachkräftemangel und veränderte Anforderungen an Ausbildungsberufe.

In ihrem Beitrag zu Bildungsmarketing in Zeiten von TikTok, Twitch und trending topics gab Alice Gittermann, Geschäftsführerin der Agentur Ballhaus West, Einblicke in die sich ständig wandelnde Welt der sozialen Medien, in der „Marketing für Bildung mit der für Kaugummis oder Turnschuhe konkurriert“. Junge Menschen entwickelten in den sozialen Medien ein zweites Leben, hätten aber gleichzeitig ein Bedürfnis nach Echtheit. Daher müsse gutes Bildungsmarketing glaubwürdig sein und es benötige ein Narrativ, eine Geschichte. Botschaften verbreiteten sich dann am besten, wenn sie von den Empfängerinnen und Empfängern selber weitergegeben werden. Dazu müssten sie teilbar (shareable), ansprechend (likeable) und in kleine Häppchen verpackt (snackable) sein. Diversität sei jungen Menschen wichtig und sollte im Marketing berücksichtigt werden, damit sie sich abgeholt fühlen.

Junge Frauen nutzen Orientierungsprogramme zur Selbstvergewisserung

Im Workshop „Wie gelingt gendersensible Orientierung“ wurde aufgezeigt, dass insbesondere junge Frauen die Orientierungsprogramme zur Selbstvergewisserung nutzen. So liegt im Berliner O ja!-Orientierungsjahr der Frauenanteil höher als in den fachlich verwandten MINT-Studienfächern und -ausbildungsgängen. Am Beispiel des Niedersachsen-Technikums wurde gezeigt, dass Orientierungsprogramme Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben können. Im Niedersachsen-Technikum absolvieren junge Frauen Praktika in technischen Berufen, was neben der Selbstwirksamkeitserfahrung für die Teilnehmerinnen auch in die Unternehmen hineinwirkt, indem Stereotype aufgebrochen und Vorurteile abgebaut werden.

In ihrem Beitrag „Gender und Berufswahl“ zeigte Dr. Lena Loge auf, wie sich Geschlechterstereotype im Berufswahlprozess widerspiegeln: Im Laufe der Sozialisation bilde sich ein fähigkeitsbezogenes Selbstkonzept heraus, das sich neben den Geschlechterstereotypen aus erlebten Rollenvorbildern, aus Zuschreibungen und Stärkungen sowie aus Selbstwirksamkeitserfahrungen speist. Laut Loge hat sich in den vergangenen 40 Jahren die Selbsteinschätzung von Frauen hin zu a-stereotypen Selbsteinschätzungen deutlich stärker geöffnet als die von Männern.

Geschlechtersensible Orientierung gestalten

Ein wichtiger Aspekt, der der Öffnung von Männern für typische Frauenberufe entgegensteht, ist, dass Status und Tätigkeit eng miteinander verknüpft sind: Gemeinschaftlich ausgerichtete, soziale und weiblich dominierte Berufe haben einen niedrigen sozialen Status. Demgegenüber erleben Frauen in MINT-Berufen einen Statusgewinn. In der anschließenden Diskussionsrunde im fishbowl-Format ging es um die Frage, wie geschlechtersensible Orientierung gelingen kann. Aufgrund der Vorprägungen, die jede und jeder mitbringt, spielt (Selbst)reflektion eine wichtige Rolle, um für Selbstwirksamkeitserfahrungen offen zu sein und nach Alternativen zu geschlechtsspezifischen Lebensentwürfen zu suchen.

Im Workshop „Wertesensible Orientierung“ wurde von Prof. Dr. Uwe Elsholz (wissenschaftliche Begleitung des Verbundvorhabens VerOnika) aufgezeigt, dass die Teilnehmenden mit einer Höherbewertung des gesellschaftlichen Ansehens einer akademischen gegenüber einer beruflichen Ausbildung in die Programme kommen. Bezogen auf die beruflichen Aussichten zeigten sich in der Bewertung allerdings nur geringe Unterschiede. Bezogen auf die Motivation zur Teilnahme an den Orientierungsprogrammen liegt diese im Bestreben, eine primär den eigenen Interessen, Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Bildungsentscheidung zu treffen.

In seinem Ausblick wies Prof. Elsholz auf die steigenden Beschäftigungsaussichten und Karrieremöglichkeiten für Absolventinnen und Absolventen vieler Berufsausbildungen angesichts der sozialökologischen Transformation hin. Neuere Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wiesen zudem auf tendenziell verbesserte Verdienstmöglichkeiten gegenüber akademischen Bildungswegen hin. Mit dem „Bachelor Professional“ sollten auch gleichwertige Karrierewege, über die Ausbildung hinaus, stärker in den Blick genommen werden.

Neues Workshop-Konzept für anerkennungssensible Berufsorientierung

Die Frage, wie Berufsorientierung gestaltet werden kann, die das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung berücksichtigt, steht hinter dem Workshop-Konzept der „anerkennungssensiblen Berufsorientierung“. Dieses gemeinsam vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und TU Darmstadt in einer Berufsorientierungsstudie entwickelte Konzept wurde von Sevil Mutlu, TU Darmstadt, anhand interaktiver Elemente aus dem Workshop vorgestellt. Dazu wurden die Tagungsgäste auf eine Zeitreise geschickt, in der sie sich in die Rolle eines oder einer 16-jährigen Schülers oder Schülerin versetzten. Wie ordnen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Berufe bezogen auf Prestige und Geschlechterzuschreibung ein? Wie kommen diese Einschätzungen zustande, sind sie statisch oder unterliegen sie Veränderungen?

Laut des theoretischen Modells, welches dem Workshop-Konzept zugrunde liegt, folgt der Berufswahlprozess einer Ausschlusslogik. Berufe, die nicht zum Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Wertschätzung passen, landen im „Mülleimer“ und werden nicht mehr in Betracht gezogen. Dadurch verengt sich im Laufe der Sozialisation das Spektrum der in Frage kommenden Berufe. Diese Mechanismen bewusst zu machen und die jungen Menschen zur Reflektion darüber anzuregen, welchen Einfluss gesellschaftliches Prestige und soziale Anerkennung auf ihre eigene Berufswahlentscheidung haben, ist Ziel des Workshops, dessen Wirkung in der BIBB/TU-Berufsorientierungsstudie wissenschaftlich untersucht wird.

Zum Abschluss wurde die Frage nach den „Lessons learnt“ gestellt. Eine Erkenntnis der Tagung – „Orientierung macht Arbeit“. Und dies im doppelten Sinne: Bei den Teilnehmenden, die an ihrer Persönlichkeitsentwicklung arbeiten. Und bei den Akteurinnen und Akteuren, die Konzepte entwerfen, erproben, weiterentwickeln und sich dafür einsetzen, dass Orientierungsphasen notwendige und akzeptierte Phasen im Lebenslauf sind und ihnen ein eigener Platz im Bildungssystem zusteht.

Fazit: Gelingende Orientierung benötigt Reflexionsräume

Damit Orientierung gelingen kann, müssen Reflexionsräume geöffnet werden: bei den Teilnehmenden, um sich der sozialisationsbedingten Einflüsse bewusst zu werden und bei den Akteurinnen und Akteuren, um die eigene Haltung im Beratungsprozess kritisch zu hinterfragen. Nicht das Angebot stehe im Vordergrund, sondern die Perspektive der Teilnehmenden und die Frage, was ihnen bei der Orientierung hilft.

Orientierungsprogramme stellen ein neuartiges Bildungsangebot dar, das sich in der Entwicklung und im Aufbau befindet. Um diese weiter zu befördern, ist Vernetzung notwendig und Vertrauen, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Die VerOnika-Arbeitstagung war dazu ein guter Auftakt.

Autorin des Artikels

Birgitta Kinscher, Verbundkoordinatorin VerOnika

b.kinscher@htw-berlin.de

Links

Dokumentation Arbeitstagung „Orientierungsprogramme erfolgreich gestalten!“, 17. und 18. November 2022 in Berlin

VerOnika: Verzahnte Orientierungsangebote zur beruflichen und akademischen Ausbildung

O ja! – Orientierungsjahr Ausbildung und Studium, VerOnika in Berlin

DasDoris, VerOnika in Darmstadt

TWIN!, VerOnika in Karlsruhe